Spielstrategien
im Paarturnier
Grundlage aller strategischen Überlegungen im
Paarturnier ist das Wertungsverfahren der erspielten Resultate,
hier in der Regel das ‚Matchpunkt-Scoring’. Alle auf
einem Boardzettel versammelten Anschriften werden am Ende in eine
Reihenfolge gebracht (genauer gesagt in zwei Reihenfolgen, nämlich
eine aus Sicht von N/S und eine aus Sicht von O/W). Diesen Reihenfolgen
werden Matchpunkte zugeordnet: von 0 für die schlechteste Anschrift
(eben der ‚Nuller’) bis X für die beste (der ‚Top’),
jeweils auf beiden Achsen. X ist variabel und abhängig von
der Zahl der Anschriften. Jedem Nuller auf der einen steht also
ein Top auf der anderen Seite gegenüber, die anderen Scores
gruppieren sich entsprechend dazwischen ein. Das bedeutet, daß
in dieser Turnierform der absolute Score und vor allem auch der
kleinste Unterschied von Belang ist – im Gegensatz zur relativen
Abrechnung im Teamturnier. Die von den jeweiligen Paaren erspielten
Matchpunkte werden am Ende aufaddiert und in eine Beziehung zur
maximal möglichen Punktsumme (eben dem Prozent-Ergebnis) gebracht.
Alle Boards sind insofern gleichwertig, als sie jeweils gleichen
Anteil am Gesamtergebnis haben. Spielt man z.B. ein (theoretisches)
Turnier mit 25 Boards, ist jedes Board 4 % vom Endresulat wert.
Je mehr Boards gespielt werden, desto weniger wiegt ein einzelnes
Board, desto nivellierter werden am Ende die Prozent-Ergebnisse
und desto eher werden sich die besseren Paare durchsetzten.
Diese Rahmenbedingungen machen es zunächst erforderlich,
möglichst immer wertvolle Kontrakte zu spielen: Oberfarben
oder SA, und nicht die ‚wertlosen’ Unterfarben (‚minors
are for the birds’): 8 Stiche in SA = 120, in OF = 110, in
UF = 90. Nicht selten spielt man besser eine Oberfarbe im 5-2 oder
4-3-‚Fit’, als eine Unterfarbe. Besonders das Unterfarb-Vollspiel
ist im Paarturnier ein oft schweißtreibend erspielter Nuller:
Mit langen Unterfarben ist SA immer die erste Wahl, die zweite Vollspieloption
(mit einer komplett ungedeckten Farbe) ist ein Oberfarbspiel im
4/3-Fit. Im Matchpunkt-Scoring spielen Überstiche eine überragende
Rolle, eben weil sie den eigenen Score gegenüber dem Rest des
Feldes markant aufwerten können; in einem sicheren 3-SA-Kontrakt
mit 9 Top-Stichen wird man unbedingt Überstiche suchen und
hierfür ggf. auch den Ruin der Hand in Kauf nehmen (s. unten).
Hat man einen Kontrakt ersteigert, wird man nach Ansicht des Dummies
zunächst eine Einschätzung der Lage versuchen, und jetzt
die Abspiel-Strategie wählen. Dabei ist es wichtig, den ‚Saal’,
also die Mitspieler im Auge zu behalten. Hat man voraussichtlich
einen sehr guten Kontrakt gerreizt, wird man ein sicheres Abspiel
wählen und nicht auf Überstiche spekulieren; der Score
ist schon durch die Reizung recht gut. Hat man aller Voraussicht
nach den ‚Saalkontrakt’ erreicht, sollte man dasjenige
Abspiel wählen, das der Saal auch wählt: in der Regel
das sehr riskante, auf Überstiche ausgerichtete Abspiel. Tut
man dies nicht und spielt einen Stich schlechter als der Saal, wird
nun der Score sehr ungünstig sein. Geht man bei diesem Abspiel
unglücklich down, dann ist man meist in (guter) Gesellschaft,
weil ein großer Teil des Saales das eigene Schicksal teilt
und auch down ist (jedenfalls in einem größeren, besser
besetzten Turnier). Hat man einen schlechten Kontrakt erwischt,
z.B. ein Vollspiel nicht ausgereizt, sollte man hingegen mit maximalem
Risiko spielen. Man kann nicht mehr viel verlieren – der Score
ist schon wegen des Kontraktes schlecht. Hat man unterreizt, kann
soll man also versuchen, besser zu spielen als die Wenigen, die
auch unterreizt haben. Zuerst muß man allerdings ausloten,
ob das verpaßte Vollspiel auch tatsächlich erfüllbar
ist. Falls nicht, ist man mit seiner positiven Anschrift jetzt -
glücklicherweise - wieder auf der Gewinnerseite.
Gute Paarturnier-Spieler beherzigen einige ‚eherne’
Grundsätze: Dubiose Schlemms und Vollspiele soll man lieber
nicht reizen, stattdessen bescheiden positiv schreiben. Vollspiele,
die sich knapp unterhalb der Schlemmzone bewegen, sollte man besser
in SA spielen, auch mit einem guten Oberfarb-Fit. Oft erzielt man
in SA die gleiche Anzahl von Stichen, für 10 Scorepunkte mehr.
Auch Kleinschlemms sollte man hinsichtlich ihrer Spielbarkeit in
SA prüfen. Mit schwächeren oder ‚halbstarken’
Händen soll man möglichst zügig den Endkontrakt reizen;
lange, umtriebige Reizungen sollten sehr starken Händen vorbehalten
bleiben. Ein aggressiver Eröffnungs-Stil ist von großem
Vorteil; nach eigener Eröffnung kann der Gegner oft nur noch
relativ unpräzise agieren. Opferkontrakte sollte man nur in
günstiger Gefahrenlage und immer mit Blick auf den Saal reizen.
Hat der Gegner nach eigenem Eindruck vermutlich den Top-Kontrakt
gereizt, verbessert ein Opfer den Score auch nicht wesentlich; es
ist jetzt meist angezeigt, im Gegenspiel den Faller zu suchen. Hat
der Gegner nach uninformativer Reizung einen Saalkontrakt erreicht
(z.B. nach einer Reizung 1 SA – 3 SA), sollte man auch das
‚Saalausspiel’ wählen, um nicht einen teuren Überstich
herzuschenken. Bleibt der Gegner nach ungestörter Reizung in
einem billigen Teilspiel, soll man nach Möglichkeit diesen
‚Wunschkontrakt’ nicht spielen lassen, sondern intervenieren
(wobei derjenige, der dies nun tut, Partners Punkte mitreizt!).
Sehr oft kann man den Gegner eine Biestufe höher und in einen
Faller treiben (manchmal endet das aber auch mit einem fatalen Kontra
der Gegner). Reizt der Gegner einen Großschlemm, ist dies
meist eine Top-oder-Nuller-Situation. Gegen einen Farbkontrakt ist
hier jetzt Trumpf-Ausspiel fast immer die beste Wahl, denn der Alleinspieler
wird in der Regel keinen keinen Trumpf-Stich abgeben (jedes andere
Ausspiel kann hingegen den 13. Stich bescheren, den der Alleinspieler
besser alleine suchen sollte, wenn er wirklich fehlt).
Eine spezielle Bedeutung kommt im Paarturnier dem Kontra
zu, das besonders in kompetitiven Reizungen im Teilspielbereich
gute Scores einbringen kann. Man sollte nicht kontrieren, wenn dies
dem Gegner hilft, die Hand zu erfüllen, und man sollte auch
nicht kontrieren, wenn sich der Gegner verreizt hat –
meist wird dies auch ohne Kontra ein gutes Board, und das Kontra
bringt den Gegner vielleicht noch zurück auf den ‚rechten
Weg’.
©: Dr. Christoph Höcker, 86415 Mering
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